„Defense wins championships“, „Three-And-D”, “Defensive Player of the Year” – Phrasen und Awards zum Thema Defense gibt es zuhauf, aber wenn man ehrlich ist geht es in den größten Teilen der Saison doch eher um die Offensive, denn die verkauft eben die Tickets. Während eines Basketballspiels kommt es häufig zu Äußerungen wie „schlecht/ gut verteidigt“, „“Matchup-Hunting“ oder „Team XY ist ein gutes/schlechtes defensives Team“. Aber was steckt eigentlich dahinter? Was macht einen Spieler zu einem guten Verteidiger und was passiert eigentlich während einer Posession alles? Ich versuche in diesem Artikel einen groben Überblick zu diesen Fragen zu geben.
Was macht einen Spieler zu einem guten Verteidiger?
Vorneweg: Diese Frage ist schwer mit einem Satz zu beantworten. Es gibt Voraussetzungen, die gegeben sein können, damit ein Spieler in Frage kommt, doch selbst wenn ein Spieler diese Voraussetzungen hat, ist er nicht automatisch ein guter Verteidiger.
Jeder der schon einmal Basketball gespielt hat, völlig egal ob auf dem eigenen Hof, dem Freiplatz oder in einem Ligaspiel, der weiß, wie schwer es sein kann seinen Gegenspieler daran zu hindern einen Korb zu werfen. Darum geht es ja primär in der Defense – verhindern das der Gegner einen Korb wirft. Zurück zur Frage was ein Spieler mitbringen muss, um eben das zu verhindern. Nun ja auch hier gibt es nicht den einen Skill oder eine bestimmte Größe, die der Spieler mitbringt, denn ein Spieler muss nicht unbedingt super athletisch oder außergewöhnlich groß sein, um der Vorzeige-Defender zu sein. Dennoch hilft es ungemein, wenn man diese Eigenschaften erfüllt.
Fangen wir bei der Athletik an, denn natürlich ist es hilfreich gut austrainiert zu sein, lange Arme am Körper zu haben und auch bis zur Decke springen zu können. Doch Beispiele wie James Harden oder Michael Porter Jr. zeigen, dass Athletik nicht alles ist.
Dann gibt es da noch Spieler, die sind das komplette Gegenteil von Athleten, sind aber dennoch bekannt für ihre starke Defense. Bekannte Beispiele sind Leute wie Marc Gasol, Jason Kidd zum Ende seiner Karriere als nicht mehr allzu viel Athletik übrig war oder auch Andre Miller. Man sieht, es ist nicht zwingend erforderlich sich durch seine Athletik einen Vorteil zu verschaffen, sondern das Spielverständnis eines Spielers kann eine mangelnde Athletik ausgleichen.
Dann gibt es Spieler wie Anthony Davis, Paul George, Kawhi Leonard oder Rudy Gobert. Sie gelten als elitäre Verteidiger. Warum? Weil sie eben beide Kategorien erfüllen. Sie sind gesegnet mit einer außergewöhnlichen Athletik und zusätzlich verstehen sie das Spiel, sie wissen was der offensive Spieler als nächstes machen möchte und können dementsprechend stark verteidigen. Kommen wir einmal zurück auf das Thema James Harden. Lange wurde er verteufelt als grauenhafter Verteidiger, vielleicht auch zurecht. Mittlerweile hat sich das jedoch geändert. Er versteht das Spiel wie kaum ein anderer, was ihn offensiv zu einem der besten Spieler aller Zeiten macht. Nach einigen Jahren in der Liga kann man aber erkennen, dass Harden es geschafft hat sich auch defensiv über Wasser zu halten. Klar wird er nicht Spieler wie Curry oder Lillard verteidigen, doch das muss er auch gar nicht. Er verteidigt Shooter oder Big Man und das durchaus effizient, denn er versteht, was die Spieler offensiv abliefern wollen und damit kann er seine Schwächen am Perimeter verstecken.
Damit kommen wir zu einem Aspekt, der häufig unterschätzt wird. Die Spieler müssen auch verteidigen wollen. Man kann noch so stark, groß, schnell oder clever sein, wenn man gar nicht erst versucht seinen defensiven Teil beizutragen, dann bringen einem auch die besten Anlagen nichts. Diese Mentalität zeichnet zum Beispiel Patrick Beverly aus, der eher klein gewachsen und auch kein Überathlet ist. Doch er besitzt diesen Willen, seinen Gegenspieler defensiv zu beeinflussen.

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Zusammenfassend gilt also festzuhalten, es gibt nicht den einen Skill den ein Defender braucht. Man kann eher sagen, je mehr Möglichkeiten jemand hat, desto besser kann er verteidigen, ob der Spieler das letztendlich auch tut ist eine andere Frage. Sind sie besonders groß, schnell, kräftig, clever und gewillt Defense zu spielen, dann werden sie sicher zu den Besten gehören. Spieler wie Rajon Rondo jedoch zeigen, dass gerade Vorbereitung und Wille einen Unterschied wie Tag und Nacht machen können, wie ein Spieler bewertet wird.
Welche Bestandteile gibt es in der Defense?
Die Spieler als Einzelteile sind schon mal ein Teil der Wahrheit. Der defensive Erfolg einer Mannschaft ist aber auch davon abhängig, wie diese Einzelteile als Kollektiv funktionieren. Es reicht häufig nicht aus, einen Spieler wie Gobert in die Mitte zu stellen und zu hoffen, dass man von nun an gute Defense spielt. Denn gerade die Defensive ist viel stärker von einer Gemeinschaftsleistung abhängig als die Offense am anderen Ende.
Pick and Roll Defense
Das hat den Grund, dass die Defense eben nicht nur von individueller Defense abhängt, sondern auch davon wie gut und wie intelligent man sich gegenseitig aushilft. Aushelfen ist dabei das große Zauberwort. Welche Situationen gibt es in denen man sich gegenseitig aushilft? Die bekanntesten sind das Pick and Roll und die Helpside Defense. Fangen wir mit dem Pick and Roll an. Das Ziel der Offense ist es den Ballhandler von seinem Gegenspieler zu befreien. Die Aufgabe der Defense ist es zu verhindern, dass weder der Ballhandler noch der abrollende Spieler einen Vorteil aus dieser Situation ergattert. Für diese Situationen gibt es eine Vielzahl an Mustern, wobei es zu aufwendig wäre diese hier alle im Detail zu erläutern. Die Verteidigung eines Pick and Rolls ist in den allermeisten Fällen abhängig von den Vorgaben des Coaching Staffs. In der Preseason wird ein Schema eingeführt, dass meistens mit Ausnahmen die ganze Saison angewendet wird. Das liegt daran, dass vor den meisten Spielen keine Chance besteht eine spezielle Defense einzuführen und diese auch im Training zu üben. Deshalb gibt es meistens erst ab den Playoffs eine deutlich andere und auch effektivere Gangart den Gegner zu verteidigen.
Zurück zum konkreten Fall. Der Verteidiger des Ballhandlers hat die Option entweder über den Block zu gehen, also seinem Gegner zu folgen oder unter dem Block herzugehen und somit dem Gegenspieler Platz für einen Wurf zu lassen. Letzteres wird eigentlich nur bei Spielern angewandt, von denen bekannt ist, dass von ihnen keine Gefahr durch den Wurf aus dem Dribbling ausgeht. Geht nun der Verteidiger des Blockes über den Screen, gibt es für den Verteidiger des Blockstellers einige Muster wie er sich verhalten kann. Besonders populär ist aktuell die sogenannte „Drop Defense“ bei der, der Big Man meist die Aufgabe hat den Ring zu beschützen, für einen kurzen Moment beide involvierten Offensivspieler covern zu können, dabei jedoch den Midrange Jumper oder einen Floater anbietet.

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Er kann jedoch auch auf Höhe des Blockes stehen und somit jegliche Chance für einen Wurf verhindern. Dabei entsteht jedoch die Problematik, dass der abrollende Offensivspieler freisteht und somit noch ein dritter Defender in die Situation eingreifen muss. Diese Art der Verteidigung nennt man auch „soft hedge“ oder „flat help“.
Möchte man einen Ballhandler verteidigen, von dem eine besonders große Gefahr ausgeht, dann kann man diesen Spieler in einem Pick and Roll auch doppeln oder „blitzen“. Wenn der Ballhandler den Block benutzt gehen beide Verteidiger aggressiv auf diesen und versuchen, dass dieser entweder einen besonders schweren Wurf nehmen muss oder aber den Ball weiterpasst. Auch hier wird schnell klar, dass wenn zwei Verteidiger einen Ballhandler verteidigen, ein Spieler freistehen muss. Die Defense muss sich also in einem hohen Maß gegenseitig aushelfen und besonders bei Teams mit vielen Schützen und guten Pick and Roll Spielern kann das schnell zum Verhängnis werden.

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Dann gibt es noch das Switching, das sich aktuell besonderer Beliebtheit erfreut. Switchen bedeutet, dass die beiden Verteidiger, die im PnR involviert sind, schlicht ihre Gegenspieler tauschen. Dadurch wird der Offense ihr Vorteil genommen, dass ein Spieler freisteht oder einen Raum mit Playmaking Potenzial erhält. Damit das Switchen erfolgreich sein kann, braucht es jedoch Spieler, die dazu in der Lage sind, denn es bringt nichts in einem Pick and Roll von Stephen Curry und Draymond Green die Verantwortung der Defender so zu tauschen, dass Brook Lopez gegen Curry spielt und D.J. Augustin gegen Draymond Green. Um effektiv zu switchen braucht es sowohl einen Guard, der (vielleicht auch mit einer weiteren Hilfe) auch Big Men verteidigen kann und andersherum in der so stark von Ballhandlern geprägten Liga, einen Big der diese vor sich halten kann. Diese Eigenschaft bringt gerade Spielern wie P.J. Tucker oder auch Maxi Kleber ein fettes Taschengeld. Sie können alle Positionen verteidigen und somit das Pick and Roll des Gegners entschärfen.
Eine weitere Defense, die unter anderem sicherlich einen negativen Einfluss auf die Stimmbänder von Tom Thibodeau hatte ist die „Ice Defense“ oder auch „down coverage“ genannt. Dabei verhindert der Verteidiger des Ballhandlers, dass dieser den Weg über die Mitte gehen kann und schickt ihn in Richtung der Baseline, wo der zweite Verteidiger auf ihn wartet. Je nachdem wie aggressiv man diese spielt kann der Big Man versuchen zwei Spieler gleichzeitig zu „containen“ also zu kontrollieren oder eben mehr Druck auf den Ballhandler auszuüben und beispielsweise zu doppeln. Die „ice“ Rufe von Thibs sind dabei legendär.

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Das sind nur einige Arten das Pick and Roll zu verteidigen, dem sind übrigens keine Grenzen gesetzt und die Ausführung obliegt letztendlich der Kreativität der Coaches. Besonders in den Playoffs lassen sich häufig neue Kreative Wege erkennen, wie mit Spielern unterschiedlich umgegangen wird. Denn letztendlich hat jedes Prinzip seine Vor- und Nachteile, die je nach Gegenspieler angepasst werden müssen.
Helpside Defense
Genug zum Thema Pick and Roll und weiter zur Helpside Defense. Denn auch in diesem Teil der Teamdefense kommt es auf Abstimmung und eben das Aushelfen untereinander an. In der heutigen NBA kann sich kaum ein Team auf die individuelle Defense eines Spielers am Perimeter verlassen. Das liegt aber (häufig) nicht daran, dass die Spieler nicht verteidigen können, sondern daran, dass die offensiven Qualitäten der NBA Spieler auf einem völlig absurden Level liegen. Fast alle Teams verfügen über (mindestens) einen Spieler, der jeden gegnerischen Spieler mit seinen Moves schlagen kann, egal ob Ballhandler oder Big Man. Wenn nun der primäre Verteidiger geschlagen ist, möchte man vermeiden, dass der Weg in Richtung Korb gänzlich offen ist. In diesen Momenten verdienen dann Spieler wie Rudy Gobert, Myles Turner oder Clint Capela ihre Brötchen als Shotblocker. Denn in dem Moment in dem ein Spieler zum Korb durchbricht, möchte man im besten Fall jemanden in der zweiten Reihe stehen haben, der einen Wurf möglichst schwer macht oder sogar blockt. Doch nicht nur Big Men spielen Helpside, sondern auch Guards und Forwards kommen in diese Situationen. Bei ihnen ist die Gefahr, die dadurch entsteht, dass sie ihren Gegenspieler verlassen oft sogar noch viel größer, besonders wenn man gegen Teams spielt, die drei, vier oder sogar fünf Schützen auf dem Feld haben. Dann reicht es nicht mehr bloß einmal zu helfen, sondern man muss sich darauf verlassen können, dass immer, wenn jemand hilft, diesem Spieler auch wieder geholfen werden muss.
In diesem Aspekt besteht die Königsdiszplin einer Defense. Schafft man es nicht nur den ersten Drive abzuwehren, sondern auch den dritten, vierten oder fünften? Schafft man das und der Gegner kommt während den 24 Sekunden nicht zu einem freien Wurf, spricht man häufig (zu Recht) von guter Defense.
Wie bereits angesprochen sind die offensiven Qualitäten in der Offense kaum zu bremsen. Deshalb ist es eine Rarität, dass eine Offense, während der ihr zur Verfügung stehenden Zeit gar kein Wurf losbekommt. Vielmehr spricht man auch immer dann von guter Defense, wenn man der Offense einen Wurf gestatten, den sie eigentlich nicht nehmen möchte. Also „low-percantage“ Abschlüsse, die man jedoch im Vorfeld ausfindig machen muss. Von welchen Spielern kann man vielleicht gar nicht helfen, weil die Gefahr, die von ihnen ausgeht, einfach zu groß ist? Da gibt es Beispiele wie Kyle Korver, die verdeutlichen, wie schwer es sein kann simple Helpside Defense zu spielen. Doch es gibt nicht nur Spacing durch Longballs, sondern auch das vertikale Spacing. Geht man einen Schritt zu weit weg von Spielern wie Mitchell Robinson, dann wird der Ball einfach hochgeworfen und Robinson knallt das Ding rein.
Fazit
Defense ist also nicht der eine spektakuläre Block, die Mentalität eines Spielers, die körperlichen Voraussetzungen oder das Playbook eines Coaches. Es ist vielmehr eine situative Abwägung von Gegebenheiten, Vorteilen und Nachteilen. Niemand kann jede Situation auf dem Feld perfekt verteidigen, sondern sich eher daran orientieren, welche Situation, welches Vorgehen erfordert. Dieser Überblick hat auch gar keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll eher darstellen, dass die Defense in einem Basketballspiel hochgradig komplex ist. Ein guter Defender lässt sich häufig nicht in einem Spiel identifizieren, denn auch in der Defense kann man einen schlechten Tag erwischen.