Dieser Artikel wurde ursprünglich am 26. Januar 2021 in Gedenken an Kobe Bryants tödlichen Unfall veröffentlicht.
KOBE 💜💛
Am 26. Januar 2020 verstarb Lakers-Legende Kobe Bryant bei einem Helikopterabsturz nahe Calabases, Kalifornien. Neben ihm starben außerdem auch die übrigen acht Insassen, darunter seine dreizehnjährige Tochter Gianna. Ein Jahr später gedenkt dieser Artikel dem Basketballspieler und seiner unglaublichen Karriere. mamba forever ♥️
2020 war schon echt ein beschissenes Jahr. Lockdown im März, im Sommer wieder bisschen entspannter und dann ab Herbst Lockdown 2.0. Corona hatte das gesamte Jahr im Griff, dominierte die Schlagzeilen und wird immer die erste Sache sein, die man mit 2020 in Verbindung bringt. Zumindest für die meisten Menschen. Es soll nicht unsensibel klingen, doch für jemanden, der (glücklicherweise!) in seinem Freundes- & Bekanntenkreis weiterhin keinen Coronafall hat, war der tränenreichste Tag diesen Jahres ohne Zweifel der 26. Januar. Rotz und Wasser habe ich geheult, als ich im Auto auf dem Weg nach Hause war. Zuvor war ich bei meiner Schwester gewesen, wir hatten an ihrem Küchentisch gesessen, als mein iPhone aufleuchtete. Push-Benachrichtigung, Bleacher Report. Ich rechnete mit irgendeiner belanglosen News rund um die NBA.
„AD hat sich im Training den Knöchel gestaucht, fällt vier Tage aus.“
„Kyrie hat sich von einem Schamanen die Karten legen lassen und dazu entschieden, ab sofort nur noch mit links zu werfen.“
Das Übliche eben. Was hätte ich im Nachhinein dafür gegeben, eine der obigen Nachrichten zu lesen. Doch nein, stattdessen die folgenden Worte:
Breaking: Kobe Bryant has died in a helicopter crash, officials confirm.
Boom. In your face. Habe es im ersten Moment überhaupt nicht kapiert. Kann gar nicht sein, nicht Kobe, der ist doch unbesiegbar. Der wird die nächsten 50 Jahre in der ersten Reihe im Staples Center sitzen, sein Team anfeuern und immer mehr Applaus bekommen als jeder der Spieler, die gerade in Purple & Gold auf dem Court stehen. Nicht Kobe, nicht die Mamba. Nicht der Typ, der sich mit allem und jedem anlegt, nur um am Ende oben zu stehen. Nicht er, dessen Arroganz immer eine gewisse Anziehungskraft versprüht hat, war sie doch so durchzogen von absoluter Überzeugung, endlosem Selbstbewusstsein. Nicht er, der mich überhaupt erst auf die NBA und den Basketball aufmerksam gemacht hat.
Es muss irgendwann Mitte der 2000er gewesen sein. Die BRAVO Sport wird vermutlich Michael Ballack, Ailton oder Roy Makaay auf dem Cover gehabt haben. Klar interessierte mich das als Fußballfan, der immer auf dem neuesten Stand sein wollte. Doch schon bald entdeckte ich, dass auch die hinteren Seiten der Zeitschrift, auf denen es nicht um den Titelkampf zwischen Bayern München und Werder Bremen ging, ziemlich interessant sein konnten. US-Mix oder so hießen die paar Seiten, die mir eher unbekannte Sportarten wie Football und Basketball thematisierten. Meistens berichteten sie von dem großen, blonden Deutschen, der auf der anderen Seite das Atlantiks die Amis aufmischte und auf dem Weg war, MVP zu werden. Hin und wieder ging es aber auch um andere Spieler. LeBron James wurde als Zukunft des Sports bezeichnet, Shaq als das fehlende Puzzlestück, das Dwyane Wade zum Titel verhelfen würde. Und dann war da ein gewisser Kobe Bryant. Einer, der es scheinbar mit der ganzen Liga aufnahm, sein Team mit unfassbaren Leistungen zu Siegen führte. Und für den es doch nicht zum ganz großen Wurf reichen sollte.
Ja, die ersten Erinnerungen, die ich an Kobe habe, sind nicht die eines Gewinners. Der Threepeat zusammen mit Shaq war ein paar Jahre her und auf sich alleine gestellt, wollte es nicht so recht klappen mit dem Titel. An Kobes Kampfansagen und selbstbewussten Interviews änderte das natürlich nichts. Er war sich sicher, dass er auf dem richtigen Weg war und ich glaubte ihm.
Wir alle wissen, dass er Recht behalten sollte. 2009 holte er sich seinen vierten NBA-Titel. Ohne Shaq, ohne die Hilfe eines zweiten absoluten Superstars (sorry, Pau!). Glücklich studierte ich die Bilder der Championship-Parade in meiner Bravo. Kobe, dem eine ganze Stadt zujubelte. 2010 – der Repeat, noch ein Ring fehlte danach bis Jordan, der in den Artikeln immer als Kobes Vorbild und der Größte aller Zeiten bezeichnet wurde. 2011 – die Chance mit MJ gleich zu ziehen, die GOAT-Debatte nochmal anzuheizen.
Ich muss ehrlich sagen, auch wenn ich mich sehr mit Dirk gefreut und seinen Titel bejubelt habe, hätte ich mir für 2011 einen anderen Meister als die Dallas Mavericks gewünscht. In den folgenden Jahren war ich dank League Pass, meinem Tablet und langweiligen Vorlesungen endlich in der Lage, die NBA etwas genauer zu verfolgen. Doch während die Dozenten irgendetwas von doppelter Buchführung, Statistik und sonst was laberten, wurden die Kobe-Highlights in den Zusammenfassungen der Spiele spürbar seltener. Von seinem Achillessehnenriss kam nicht einmal er wieder richtig zurück und so verliefen seine letzten Jahre asynchron zu meinem Konsum der NBA. Immer mehr Spiele schaute ich, die Faszination für den Sport hatte mich gepackt, doch immer weniger Kobe war dabei zu bewundern.
Ein Highlight hatte er sich jedoch noch für mich aufgehoben.
14. April 2016, 4:30 Uhr morgens in Köln. Ich hatte mir im Abstand von ein paar Minuten direkt mehrere Wecker gestellt. Auf keinen Fall wollte ich das verpassen. Es war das letzte Spiel der Regular Season, die Warriors mit Steph, Klay und Draymond waren noch einen Sieg davon entfernt, Geschichte zu schreiben. 73 – 9. Mit einer solch dominanten Bilanz hatte noch kein Team in der Geschichte der Liga eine Saison beendet. Das interessierte mich jedoch nur bedingt. Viel aufregender war, was parallel in Los Angeles passieren sollte. Wie viele Basketballfans hatte ich in der Nacht nur Augen für Kobe. Es sollte sein letztes Spiel sein. Das letzte Spiel einer langen Saison, einer langen Karriere. Einmal noch würde die Black Mamba auf dem Court stehen, einmal noch alles aus sich herausholen, um den Fans eine gute Show zu liefern. Scheiße, war das eine geil Show. 60 Punkte legte Kobe auf. SECHZIG PUNKTE. Seit Jahren hatte er die Fünfziger-Marke nicht mehr geknackt, war mit 37 Jahren weit über seinen Zenit hinaus. Doch ein Kobe Bryant kann eben nur auf eine Weise abtreten. Es war ein enges Spiel, die Lakers brauchten jeden von Kobes Körben, um das Spiel zu gewinnen. Er nahm sich daher Wurf um Wurf, verwandelte Dreier um Dreier. Keiner aus dem übrigen Lakers-Kader wollte ihm im Weg stehen. Alle fütterten sie ihn. Mir erfüllte Kobe damit einen Traum. Endlich mal ein Lakersspiel live sehen, in dem er, Kobe Bryant, mit purer Willenskraft die Niederlage verhinderte. All die Geschichten, Artikel, Erzählungen – wahr geworden in einem Spiel.
In den vergangenen Jahren bin ich unzählige Male mitten in der Nacht aufgestanden oder bis in die frühen Morgenstunden wachgeblieben, um NBA-Spiele zu sehen. Es waren unglaubliche Spiele mit dabei, nicht zuletzt die Finals aus der eben genannten Saison (Dreier Kyrie, Chasedown-Block LeBron – ihr wisst schon ;)). An keines davon kann ich mich so genau, so lebhaft erinnern wie an Kobes Abgang. Ich saß mit offenem Mund auf meinem Bett, ungläubig dessen, was da geschah. Wenig verwundernd war das daher auch eine der Erinnerungen die mir in den Kopf schossen, als ich an jenem Abend die Wohnung meiner Schwester verlies und nach Hause fuhr. Die Sicht verschwommen durch die Tränen, dachte ich an Kobe, trauerte um ihn, als hätte ich ihn persönlich gekannt.
Die Debatte um den besten Basketballspieler der Welt ist mir herzlich egal. LeBron oder Jordan? Für mich wird es immer nur eine Antwort geben.
Rest in peace, Kobe. Rest in peace <3