Beyond the Box Score – Offensive / Defensive Rating
Advanced Stats gehören mittlerweile zum NBA Basketball, wie die Shotclock und der Dreier. Die fortgeschrittenen Statistiken sind ein zentraler Bestandteil des Scoutings und Gameplannings der Teams sowie der medialen Berichterstattung geworden. Jedes der 30 NBA Teams hat eine eigene Analytics Abteilung, die sich darum bemüht den Gegnern durch Auswertung und Interpretation der Zahlen einen Schritt voraus zu sein. Alle NBA Journalisten, die etwas auf sich halten, untermauern ihre Argumentationen mit Statistiken, wie dem extrem beliebten Player Efficiency Rating, Win Shares oder Box-Plus-Minus. Ebenso selbstverständlich haben die Adavanced Stats Einzug in den alltäglichen Sprachgebrauch und die Diskussionen der Fans erhalten. Die Zahlen dienen als Argumentationsstütze und oftmals gar als vermeintlicher Beweis einer aufgestellten Aussage.
Der fast schon inflationäre Gebrauch der Statistiken in der Medienlandschaft und unter Fans wird der Aussagekraft der Zahlen häufig nicht gerecht. Selten wird darüber nachgedacht, was eine Zahl bedeutet, wie sie eigentlich hergeleitet wird und wie man sie richtig interpretieren muss.
Diesen Missständen wollen wir mit unserer neuen Serie „Beyond the Boxscore“ vorbeugen und beleuchten zukünftig jeden Dienstag eine Advanced Metric genauer.
Überblick
Das Offensive Rating gibt an wie viele Punkte ein Team pro 100 Ballbesitze erzielt. Im Gegensatz dazu ist das Defensive Rating eine Kennzahl, die angibt wie viele Punkte ein Team pro 100 Ballbesitze abgibt. Beide Zahlen sind somit Maße für die offensive bzw. defensive Effizienz eines Teams.
Gegenüber den absolut erzielten Punkten haben das Offensive und Defensive Rating den Vorteil, dass sie nicht durch die unterschiedliche Pace, mit der Teams spielen, beeinflusst werden.
Beide Kennzahlen können auch individuell für Spieler berechnet werden.
Berechnung
Die Kalkulation der Kennzahlen ist je nachdem, ob man sie auf Team- oder Spielerebene anstellt unterschiedlich.
Berechnung Team Rating
Das Offensive Rating für ein Team ergibt sich indem man die insgesamt erzielten Punkte einer Saison durch die Gesamtzahl der Possessions des Teams teilt. Die erzielten Punkte kann man auf allen gängigen Statistikseiten einfach ablesen. Die Anzahl der Possessions ergibt sich aus folgender Formel:
Number of Possessions = FGA – OReb + TO + (0,40 * FTA)
wobei FGA=Field Goal Attempts, OReb=Offensiv Rebounds, TO=Turnover, FTA=Free Throw Attempts.
Teilt man die Gesamtpunkte durch die Anzahl der Possessions erhält man die Punkte pro Possession, mit 100 multipliziert erhält man das Offensive Rating eines Teams.
Für die Kalkulation des Defensive Ratings teilt man die zugelassenen Punkte durch die zuvor berechnete Anzahl der Possessions, multipliziert den Wert mit 100 und bekommt so das Defensive Rating.
Berechnung Spieler Rating
Deutlich komplizierter wird es bei der individuellen Berechnung der Ratings.
Auch hier gibt das Offensive Rating an für wie viele Punkte pro 100 Possessions ein Spieler verantwortlich ist. Es ist jedoch deutlich schwieriger den Einfluss eines einzelnen Spielers zu berechnen.
Zur Berechnung des Offensive Ratings werden alle möglichen individuellen Ausgänge einer einzelnen Possession betrachtet:
- Abschluss per Wurf (trifft Zweier, trifft Dreier, verwirft)
- Spieler wird gefoult und wirft Freiwürfe (trifft ein Mal, trifft zwei Mal, trifft drei Mal, verwirft)
- Spieler begeht Turnover
- Spieler spielt Assists
- Spieler holt Offensiv Rebound
- Spieler ist nicht am Abschluss beteiligt.
All diese Ausgänge werden in der Formel zur Berechnung des Offensive Ratings berücksichtigt. Grundsätzlich werden die „Individual Points Produced“ durch die „Individual Total Possessions“ geteilt. Wer sich in die genaue (relativ komplizierte…) Formel vertiefen möchte kann hier weiterlesen.
Ähnlich komplex wird es auch beim individuellen Defensive Rating. Die Kennzahl gibt an wie viele Punkte ein einzelner Spieler pro 100 Possessions zulässt in denen er direkt beteiligt ist. Der Kern des Ratings liegt im Konzept der „Individual Defensive Stops“. Hierbei werden alle Handlungen gezählt, die die Possessions des Gegners beenden. Einige können im Box Score abgelesen werden (Blocks, Steals, Defensiv Rebounds) andere (Forced Turnovers & Forced Misses) werden geschätzt. Die genaue Berechnung findet ihr hier.
Interpretation
Schauen wir uns nun an, wie man die einzelnen Kennzahlen interpretieren kann. Auch hier betrachten wir die Team- und Spieler Ratings wieder getrennt.
Interpretation Team Rating
Wie bereits erwähnt dient das Offensive Rating eines Teams dazu, dessen Offensive Effizienz zu bewerten und letztlich zu einer Aussage zu kommen, wie gut eine bestimmte Offense im Vergleich mit anderen ist.
Oftmals wird für die Bewertung der Qualität einer Offensive einfach auf den Punkteschnitt eines Teams geschaut. Das greift aber zu kurz, wie man im folgenden Beispiel sieht.
Betrachtet man die Punkte pro Spiel kommt man zu einem klaren Ergebnis – Die Nuggets erzielen im Schnitt 14 Punkte mehr als die Lakers und haben damit die bessere Offensive. Bezieht man nun aber mit ein, dass die Lakers mit einer deutlich niedrigeren Pace (Possessions per Game) spielen, zeichnet sich ein anderes Bild und die Lakers haben mit einem Offensive Rating von 112 klar die Nase vorn.
Auf wen würdet ihr in Game 7 mit noch 10 Sekunden auf der Uhr setzen? Auf das Team das durchschnittlich 1,05 Punkte pro Possession macht oder lieber das Team, das 1,12 Punkte macht?
Ähnlich sieht es bei der Bewertung der Defense eines Teams aus. Auch hier sollte man statt auf die absoluten Zahlen, lieber auf die jeweiligen Defensive Ratings schauen.
Da beide Kennzahlen auf 100 Ballbesitze gerechnet werden kann man die Differenz aus Offensiv und Defensive Rating berechnen und erhält somit das Net Rating eines Teams (links), das sich in der Regel sehr gut mit der Tabelle (rechts) deckt.
Interpretation Spieler Rating
Das individuelle Offensive Rating ist ein sehr gutes Maß für die offensive Effizienz eines Spielers. Dennoch gilt natürlich auch bei dieser Kennzahl, dass sie nicht die absolute Wahrheit darstellt. Beispielsweise werden alle Aktionen vor einer Possession, wie z.B. Screens nicht vom Offensive Rating erfasst. Screens, die zu freien Würfen führen, tauchen im Rating des Screenstellers nicht auf. Ebensowenig wird erfasst, dass ein Big aufgrund des guten Spacings seiner Schützen viel Platz unter dem Korb hat. Das Offensive Rating ist somit keine allumfassende Kennzahl für die offensive Qualität eines Spielers sonder gibt lediglich die erzielten Punkte pro Abschluss aus.
Schwierig wird es, wie bei allen Statistiken, wenn man sie isoliert betrachtet und eins zu eins ohne Kontext vergleicht.
Die Top Drei im Offensive Rating bei nba.com besteht in dieser Saison aus Diakite, Ramsey und Tacko Fall. Natürlich sind das nicht die effizientesten Offensivspieler. Sie stehen lediglich aufgrund der winzigen Samplesize von 3-7 Minuten Spielzeit so weit vorne. Filtert man nach Spielern, die mindestens 20 Minuten pro Spiel auf dem Parkett stehen zeichnet sich bereits ein anderes Bild.
Die Top 5 besteht nun aus Spielern, die definitiv zu den besten Offensivspielern der Liga gehören. Mit Gary Harris, Joe Harris, Robert Covington und Donte DiVincenzo sind aber noch immer Spieler mit dabei, die man in diesem Ranking vermutlich nicht erwartet hätte. Aussagen wie „Garry Harris ist effizienter als Damian Lillard“ sind zwar aufgrund der Zahlen naheliegend und richtig sollte man so jedoch nicht treffen. Harris, Covington & Co. haben eine ganz andere Rolle als Lillard. Deshalb sollte man für den Vergleich verschiedener Spieler immer auch die Usage Rate heranziehen. Hieraus wird ersichtlich, dass Dame fast jeden dritten Abschluss der Blazers nimmt und sich somit nicht, wie Harris, der lediglich jeden siebten Abschluss nimmt, aufgrund seiner Rolle die besten Würfe aussuchen kann.
Spieler mit einem hohen Offensive Rating bei gleichzeitig hoher Usage Rate sind legitime Superstars. Beim Vergleich verschiedener Spieler sollte deshalb immer deren Rolle und Usage Rate mitbeachtet werden.
Ähnliches gilt natürlich auch für das Defensive Rating. Da hier eine Kennzahl wie die Usage Rate fehlt sollte man bei der Bewertung der besten Spieler zumindest die Anzahl der Minuten pro Partie auf eine größere Stichprobe setzen, um statistische Ausreißer auszuschließen. Ebenso sollte man bei der Interpretation und dem Vergleich der Zahlen die Rollen der Spieler beachten.
Zum Abschluss schauen wir noch auf zwei interessante Werte und die Schlussfolgerungen, die man daraus ziehen kann.
Das durchschnittliche Offensive Rating eines Teams liegt in der Saison 2020/21 bei 112,1. D.h. Spieler, die ein individuelles Offensive Rating von weniger als 112,1 aufweisen schaden in der Regel ihrem Team, es sei denn, der Schnitt des eigenen Teams liegt unter diesem Wert. Die Cavaliers sind mit einem Offensive Rating von 104,7 das schlechteste Team der Liga. Sie erzielen 1,047 Punkte pro Possessions. Ein Spieler dessen individuelles Rating unter diesem Wert liegt kann somit nicht einmal der schlechtesten Offense der Liga weiterhelfen. Diese Überlegungen kann man natürlich ebenso für die Defense anstellen.
Quellen
Werte für die Teamratings findet man auf allen gängigen Statistikseiten am bekanntesten sind die Ratings von ESPN. Man kann jedoch auch zu basketball-reference oder lineups.com gehen.
Für individuelle Statistiken kann man ebenfalls bei bk-ref unter „Leaders“ vorbeischauen, oder man geht zur offiziellen Statistikseite der NBA.