German Watch (5/6) – Season Recap Moritz Wagner
In einer neuen NBA Offseason-Serie lässt unser Gastautor Philip Wohlfarth die Saison aus Sicht der deutschen NBA Spieler Revue passieren. Philip ist als Host des Podcasts „NBA mit deutscher Brille“ ein absoluter Experte, wenn es um die Geschehnisse rund um Schröder, Theis & Co. geht. Er wird in den nächsten Wochen ein Fazit hinter die Saison der einzelnen Spieler ziehen.
Im heutigen Artikel geht es um die Saison von Daniel Theis.
Teil 1: Isaiah Hartesteins turbulente Saison
Teil 2: Isaac Bonga – Zweite Reihe im dritten Jahr
Teil3: Dennis Schröder – Große Chance verspielt?
Teil 4: Daniel Theis – Erfahrung im knallharten Business
Teil 6: Maxi Kleber – Der nächste Schritt mit Hürden
Moritz Wagner: Achterbahnfahrt entlang der Ostküste
Der gebürtige Berliner hatte nach seinem Wechsel nach Washington nicht den erhofften Durchbruch im zweiten Jahr. Er war auf einem guten Weg dorthin, hatte ein Breakout-Game in Minnesota, in dem er 30 Punkte und 15 Rebounds von der Bank auflegte und überzeugte auch mit Ligabestwert zehn (!) gezogenen Offensiv-Fouls in den ersten zehn Spielen. Jedoch folgte darauf eine hartnäckige Knöchelverletzung, die ihn komplett aus dem Tritt brachte.
Auch in der Bubble konnte er die vielen Minuten in Abwesenheit der Führungsspieler überhaupt nicht nutzen. Wagner war offensichtlich nicht in guter Verfassung. Diese Saison sollte endlich der echte Durchbruch gelingen.
Wagners Stärken in Washington irrelevant?
Die Vorzeichen waren aber nicht gut. In Washington wollte man endlich wieder gewinnen, holte deswegen kurz vor Saisonbeginn Russell Westbrook (mehr dazu in der Recap zu Isaac Bonga). Die Offensive war in den letzten Jahren nicht das Problem bei den Wizards, aber um Spiele zu gewinnen, muss man eben auch halbwegs gut verteidigen. Vielleicht war das der Grund, warum Moritz zu Beginn der Saison keine Rolle in der Rotation spielte.
Seine Stärken liegen bekanntlich in der Offensive, doch davon hat man in Washington mit Spielern wie Beal, Westbrook, Bertans und auch Thomas Bryant eigentlich genug. Außerdem hat man vor der Saison noch den erfahrenen Center Robin Lopez verpflichtet. Nur sporadisch kam „Moe“ zu Einsatzminuten, die er jedoch eigentlich immer gut nutzte. Dennoch musste er – fast schon ironisch – nach guten Spielen immer wieder von der Bank zuschauen.
Erst Corona, dann plötzlich Starter
Die Wizards hatten einen Fehlstart und blieben weit hinter ihren Erwartungen zurück. Dann verletzte sich Starting Center Thomas Bryant schwer. Pech für die Wizards, aber Wagner konnte sich nun mehr Minuten erhoffen. Unmittelbar danach gab es dann aber auch noch den großen Corona-Ausbruch mit sechs betroffenen Spielern. Moe hatte es auch erwischt. Er sprach später von einer teils beängstigenden Zeit, allein und abgeschottet in seinem Apartment in D.C.
Wieder genesen ging die die Achterbahnfahrt weiter. Erfreulich war dieser historisch verrückte Sieg gegen das Super-Team aus Brooklyn, bei dem die Wizards mit einem 8-0-Lauf in den letzten 8 Sekunden das Spiel drehten. Wagner legte in dem Spiel 17 Punkte (7-8 FGs), 5 Rebounds und 2 Steals auf.

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Doch die Erfolgserlebnisse blieben selten. Nach 23 Spielen hatte man gerade mal 6 gewonnen und Scott Brooks musste der Mannschaft irgendeinen Impuls geben. Da Wagner trotz unklarer Rolle – und daraus nicht überraschend schwankender Leistungen – immer mit vollem Einsatz und Leidenschaft auftrat, beorderte Coach Brooks Wagner plötzlich in die Starting Five.
Der gewünschte Effekt trat ein: Die Wizards gewannen direkt mal die nächsten fünf Spiele. Genau wie gewünscht trat Wagner auch als Starter auf: Seine Dunks und Steals lösten immer Emotionen und Energie aus im Wizards-Team. Wagner scorte mehrfach zweistellig und auch in der Defense zeigte er sich sehr engagiert und verbessert. Doch der Effekt verpuffte nach einigen Spielen und die Wizards waren immer noch nicht auf Playoffs-Kurs. Moe verlor nicht nur seinen Startplatz, sondern flog wieder ganz aus der Rotation.
Kurztrip nach Boston
Es war keine Überraschung, dass die Wizards zur Trade Deadline aktiv wurden. Auch war es nur wenig überraschend, dass Wagner in einen Trade involviert werden sollte. Am wilden Deadline-Day wurde zunächst berichtet, dass Wagner nach Chicago getradet wurde. Erst nach der Deadline wurde der 3-Team Deal klarer und es stellte sich heraus, dass Wagner die deutsche Präsenz in Boston aufrecht erhalten sollte.
Denn im Gegenzug ging Nationalmannschaftskollege Theis nach Chicago (s. Theis-Artikel), die Wizards verstärkten sich in Form von Chandler Hutchison und Daniel Gafford mit etwas Defense, und die Celtics hatten sich mit Luke Kornet und eben Wagner zwei großgewachsene Schützen ins Team geholt. Hinter dem dadurch beförderten Robert Williams und Veteran Tristan Thompson ging es aber wohl nur um den 3. Platz in der Center-Rotation.
Wagner wurde gleich ins kalte Wasser geworfen und durfte in Milwaukee ran. An der ziemlich exakt selben Stelle, wo Theis nur zwei Tage vorher seinen letzten Wurf und potenziellen Game-Winner gegen die Bucks an den Ring warf, traf Moe im „Back-2-Back“ seinen ersten Wurfversuch für die Boston Celtics. Der Start einer märchenhaften Erfolgsgeschichte bei den traditionsreichen Boston Celtics?
Leider Nein. Moritz konnte sich in den limitierten Einsatzminuten nicht empfehlen. Er wollte zu viel, hatte Probleme mit dem neuen Defensivschema, leistete sich teils haarsträubende Turnover und traf kaum Würfe (insgesamt 4/14). Sein Konkurrent Kornet überzeugte auch nicht vollends, traf aber etwas besser und hatte noch die ein oder andere Blockparty dabei.
Das Kapitel Boston fand beim Auswärtsspiel bei den Lakers ein Ende. In fünf Minuten Garbage Time verspielten Moe und die anderen Reservisten fast noch einen Blowout-Win. Moe hatte einen miserablen Auftritt: 0 Punkte, 2 Fouls, 3 Turnover und ein +/- Rating von -20. Es war gleichzeitig das neunte und letzte Spiel von ihm – am nächsten Tag wurde er entlassen.
Neue Chance in Orlando
Die Entlassung zu diesem späten Zeitpunkt in der Saison war durchaus ungünstig, da Moritz Wagner dadurch nicht mehr für ein anderes Team Playoffs spielen durfte. Glücklicherweise fand sich gut anderthalb Wochen nach der Entlassung doch noch ein Team, dass ihm eine Chance gab sich zu beweisen.
Die Orlando Magic hatten zur Trade Deadline den absoluten Rebuild-Modus eingeschaltet. Nikola Vucevic, Evan Fournier und Aaron Gordon wurden alle für Picks und Talente eingetauscht. Moritz bekam einen Vertrag bis zum Ende der Saison und nutzte diese Chance. 10 der 11 Spiele startete er und stand im Schnitt 26 Minuten auf dem Spielfeld. Er nahm viel mehr Dreier (3,9 pro Spiel) als in seinen vorherigen Stationen und traf diese auch mit 37,2% leicht überdurchschnittlich (Liga: 36,7%). Auch seine Foulanfälligkeit (4,5) und die Anzahl an Turnovern (1,6), war auf 36 Minuten gesehen, deutlich gesunken. Von den 11 Spielen gewann man nur drei, aber den Magic ging es da auch gar nicht mehr ums Gewinnen.

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Fazit und Ausblick
Der gerade beendete Draft gibt auf diese Verpflichtung nochmal eine neue Perspektive. Die Magic drafteten an achter Stelle Moes kleinen Bruder Franz, der ebenfalls in Michigan am College spielte. Es liegt nahe, dass die Magic bei der Verpflichtung von Moritz diesen Move schon geplant hatten.
Moe hat sich nach vielen Rückschlägen immer wieder zurückgekämpft und hat auch spielerisch Fortschritte in Defense und Offense gezeigt. Nun wird er Free Agent und könnte bei jedem Team der NBA anheuern. Seine Chancen auf dem Markt werden begrenzt sein, aber vielleicht will er ja auch nichts Anderes als ein deutsches Brüdergespann in Orlando etablieren.
Dies hätte auf jeden Fall seinen Reiz: 2 Berliner Brüder Seite an Seite in einem NBA-Team in Florida. Moritz könnte Franz bei der Integration in die NBA helfen. Die beiden könnten sich gegenseitig pushen, wie sie es schon als Kinder gemacht haben. Hoffen wir mal, dass das auch der Plan der Orlando Magic ist.
German Watch Serie
Teil 1: Isaiah Hartensteins turbulente Saison
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Teil 6: Maxi Kleber – Der nächste Schritt mit Hürden